Apotheke

Die Medizin der Zukunft

Eine alternde Bevölkerung, wachsende Städte und Landflucht: Unsere Gesellschaft steht vor vielen Herausforderungen – und damit auch die Medizin. Und dann ist da noch die Digitalisierung, die vieles verändern wird. Ein Blick auf die Arzneimittelversorgung der Zukunft.

Da die Menschen immer älter werden, muss auch die medizinische Versorgung in Zukunft mehr auf chronischen Erkrankungen ausgerichtet werden.
Da die Menschen immer älter werden, muss auch die medizinische Versorgung in Zukunft verstärkt auf chronischen Erkrankungen ausgerichtet werden. (Foto: FatCamera – iStock)

Deutschland wird sich verändern. Zwei große Entwicklungen sind absehbar: Zum einen – wir werden immer älter. Der demografische Wandel mit niedrigen Geburtenraten und sinkender Sterblichkeit führt dazu, dass bereits 2030 fast ein Viertel der Deutschen 67 Jahre oder älter sein wird, 2060 bereits fast ein Drittel. Zum anderen – die Landflucht. Es zieht immer mehr Menschen in die Städte. Während Metropolregionen wie Frankfurt, Berlin oder München bis 2030 um bis zu einem Viertel wachsen werden, verlieren ländliche Gebiete in einem ähnlichen Umfang Bewohner. Was bedeuten die Trends für die Gesundheitsversorgung in Deutschland?

Drei Herausforderungen für das Gesundheitssystem

Erstens: Immer mehr ältere Menschen bedeuten, dass mehr Patienten unter chronischen Erkrankungen oder altersbedingten Einschränkungen leiden. Viele von ihnen werden mehrere Erkrankungen gleichzeitig aufweisen. Der Behandlungsbedarf steigt damit tendenziell– und das bei weniger Einzahlern in die solidarisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

Zweitens: Die strukturellen Unterschiede zwischen Land und Stadt werden zunehmen. Jüngere Menschen zieht es in die Städte, das Durchschnittsalter in ländlichen Regionen wird entsprechend steigen. Damit einher geht eine ungleiche Verteilung von Arbeitskräftenachfrage und ­-angebot. Beide Entwicklungen verstärken sich gegenseitig. Die auf dem Land lebende Bevölkerung wird längere Wege etwa zu Ärzten und Krankenhäusern in Kauf nehmen müssen. Der bereits heute bestehende Ärztemangel auf dem Land wird sich verstärken.

Drittens: Im Zuge des demografischen Wandels werden weniger Menschen mittleren Alters dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Demgegenüber wird es mehr erfahrene ältere Menschen geben, von denen viele über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten wollen. Ältere Erwerbspersonen weisen längere Fehlzeiten auf als jüngere. Es müssen Lösungen gefunden werden, wie sie weiter am Berufsleben teilhaben können.

Diese Entwicklungen wirken sich ganz erheblich auf die künftige Gesundheitsversorgung aus. Die Kernfragen lauten: Wie kann die Leistungskraft des Gesundheitssystems erhalten bleiben? Wie kann die Versorgung gesichert werden? Und mit welchen Maßnahmen kann der Faktor Menschlichkeit im Gesundheitssystem der Zukunft gewahrt bleiben?

Selbstmedikation kann bei leichten Erkrankungen den Gang zum Arzt ersparen
Selbstmedikation kann bei leichten Erkrankungen den Gang zum Arzt ersparen.
(Foto: alexxx1981 – iStock)

Selbst ist der Patient

Die Arzneimittelversorgung steht auf zwei Säulen: auf der einen Seite die ärztliche Verordnung von zumeist verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, auf der anderen Seite die Selbstmedikation mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Bei der Linderung von Alltagsbeschwerden wird die Selbstmedikation künftig wichtiger werden. Ein aktuelles Gutachten hat etwa ergeben, dass bei leichteren Gesundheitsstörungen mindestens die Hälfte der Arztbesuche unnötig ist. Mit anderen Worten: Wenn die Selbstmedikation gestärkt und ausgebaut wird, können sich die Ärzte stärker auf die Behandlung von Patienten mit schwerwiegenderen Erkrankungen konzentrieren. Das würde den Geldbeutel des Gesundheitssystems schonen. Außerdem: Menschen vor allem in ländlichen Regionen könnten sich den weiten Weg zum Arzt und die Wartezeit in der Praxis ersparen.

Der eigenverantwortliche Patient rückt in den Fokus

Mehr Selbstmedikation bedeutet eine größere Eigenverantwortung: Patienten möchten künftig stärker selbst das Heft in die Hand nehmen. Der selbstbestimmte Patient informiert sich vor allem im Internet. Zudem hat der Patient Zugriff auf seine persönlichen Gesundheitsdaten, etwa über die elektronische Patientenakte. Der Deutsche Gesundheitsmonitor des BAH hat in einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung ermittelt, dass sich schon heute 44 Prozent der Deutschen häufiger über medizinische Themen informieren als noch vor zwei bis drei Jahren. Ärzte und Apotheker werden sich zunehmend darauf einstellen müssen, dass Patienten informiert sind und bei ihrer Therapie mitreden möchten.

Der Apotheker wird zum Lotsen

Der Apotheker rückt stärker ins Blickfeld. Er wird sozusagen zum Lotsen im Gesundheitswesen. Denn bei leichteren Beschwerden ist die Apotheke erste Anlaufstelle. Hier bekommt der Patient nicht nur hochwertige Informationen und Produkte. Der Apotheker stellt darüber hinaus sicher, dass der Patient eine wichtige persönliche Ansprache erhält. Er informiert ihn über etwaige Risiken und Chancen seiner persönlichen Situation. Bei Bedarf empfiehlt der Apotheker ihm einen Arztbesuch.

Auch der Arztbesuch entwickelt sich immer mehr zu einer gemeinsamen Therapieentscheidung. Der Patient möchte und wird sich stärker einbringen. Der Arzt wird daraufhin wie bisher die passende Behandlung auswählen, die Verantwortung übernehmen und damit die Qualität der medizinischen Behandlung gewährleisten.

Innovation als Chance für eine effiziente Versorgung

Neue, auf den einzelnen Menschen abgestimmte Therapien sind im Kommen – zum Beispiel die Analyse von Erbanlagen und daraus abgeleitete Behandlungen. Die Digitalisierung eröffnet hier völlig neue Möglichkeiten in der Arzneimittelversorgung. Gerade Patienten mit schweren und schwersten Erkrankungen bekommen eine neue Chance auf Linderung ihrer Beschwerden. Ihre Lebensqualität wird steigen. Neue, innovative Arzneimittel sind häufig teurer als herkömmliche. Aber: Die Kosten für das Gesundheitssystem müssen immer abgewogen werden mit dem Nutzen für den Einzelnen und die Gesellschaft.

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